Meine Geschichte....ich weiß nicht genau, wann sie begann sich zu verändern.
> Über die Jahre gab es immer mal wieder Momente, wo ich dachte, hoppla....was passiert hier gerade, woher kommt es, was ist es überhaupt. Das zu deuten, war kaum möglich.
> Zwischen dem 20. u. 23. Lebensjahr erlitt ich 5 anaphylaktische Schocks, glücklicherweise befand ich mich da immer im Krankenhaus. Allergietests ergaben, daß ich Pseudoallergiker sei, was das
ganze nicht einfach machte, im Gegenteil! Pseudoallergiker bedeutet zwar, daß ich allergisch auf diverse Stoffe jeglicher Art reagiere, jedoch dies nicht im Blut messbar sondern nur über Provokation
herauszufinden ist. So habe ich mich bis zu meinem 44. Lebensjahr daran gehalten, also Sachen gemieden, von denen ich wusste, daß sie mir nicht bekommen. Es ging mir ganz gut, bis auf das ein oder
andere "Hoppla", welches sich mit Symptomen wie Herzrasen, Luftnot, Kopfjucken, Schwindel und Schweißausbrüchen bemerkbar machte. Die Symptome verschwanden dann meist nach einiger Zeit, ab und an
kamen sie zurück.
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> Im Sommer 2013 waren meine Familie und ich für 2 Wochen zum urlauben in der Türkei. Bereits nach 12 Stunden bekam ich massiven Durchfall sowie Magen/Darmkrämpfe, welche mir die kompletten 2
Wochen und noch 1,5 Wochen danach schwer zu schaffen machten. Dann regulierte sich das Stück für Stück wieder.
> Im Oktober 2013 war ich bei der Beerdigung meiner Freundin. Beim anschließenden Kaffeetrinken bestellte ich mir eine heiße Schokolade mit Sahne. Dies löste meinen ersten Flush aus (Rötung u.
starke Hitze im Gesicht u. Oberkörper). Ab dem Tag wurde mir bewusst, daß in meinem Leben etwas nicht stimmte...von immer mehr Lebensmitteln bekam ich schlimme allergische Reaktionen, die sich mit
Urtika, Kreislaufproblemen, Herzrasen, Blutdruckschwankungen von 130/80 auf 70/30 äusserten, so daß ich teilweise nicht mehr in der Lage war, noch aufrecht stehen zu können. Im Dezember 2013 wurde
dann Rosacea in meinem Gesicht diagnostiziert,zusätzlich eine Photooncholyse unter allen Fingernägeln.
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> Ich ließ vom Bauchgefühl alle Lebensmittel weg, bei denen Symptome auftraten. Bis zum Sommer 2014 war ich 2x wegen leichten anaphylaktischen Schocks im Krankenhaus, vertrug die Hälfte der
Lebensmittel nicht mehr, die ich das 1/4 Jahr zuvor noch essen konnte.
> Jeder schob es auf meine Psyche - bis April 2014 war ich selbst noch der Meinung, daß meine Psyche mir ein Streich spielen würde, da ich seit meinen mehrfach auftretenden anaphylatischen Schocks
unter einer Angst- u. Panikstörung litt. Mittlerweile war mir klar, daß es alles ist, jedoch definitiv nicht meine Psyche. Das wiederum mach bitte mal einem Arzt klar, der sich darauf versteift
" Frau Lammers das ist ihre Psyche "!. Sogar meine Familie war der Meinung, daß es psychisch sein muss.
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> Im Juli 2014 spitzte sich die Lage langsam zu...ich konnte kaum noch etwas essen, ohne mit Urtika und nicht aushaltbaren fiesen Hautbrennen zu reagieren. Im August 2014 nahm mich meine
Hautärztin endlich ernst und testete mich auf Histaminintoleranz. Meine Diaminoxidase Wert ( kurz DAO) lag bei 1,61, die klare Bestätigung für eine Histaminintoleranz. Obwohl ich mich streng
Histaminfrei ernährte, wurden meine Symptome nach dem Essen immer schlimmer, so das die Ärztin mich in die Uniklinik überwies. Dort wurde ich nach Schema F untersucht - egal wegen welcher Beschwerden
man kam, jeder bekam die gleichen Untersuchungen, die völlig sinnfrei sind und chronische Prozesse im Körper nicht aufdecken können.
> Während des Aufenthaltes bekam ich eine Blasenentzündung, die antibiotisch mit Ciprofloxaxin behandelt wurde. Ich brach die Behandlung nach 1,5 Tagen ab, da ich mit schlimmen Hautreaktionen
reagierte. Zeitgleich bekam ich Resslegs Legs Syndrom, somit war es mir nicht mehr möglich zur Ruhe zu kommen oder gar zu schlafen. Nach 2 Wochen wurde ich mit den Diagnosen Laktoseintoleranz,
Sorbitintoleranz und starke Hausstaubmilben-allergie entlassen. Von der Histaminintoleranz wollten die Ärzte im Klinikum nichts wissen, es sei eine Modeerscheinung. Man empfahl mir, daß ich mal eine
ordentliche Therapie machen soll, dann wäre auch alles wieder gut.
>
> Anfang September 2014 wurde es richtig schlimm nach dem Essen. Ich bekam starkes Hautbrennen, was mir den Verstand raubte. Ich legte mich nackt auf den Boden, weinte vor Schmerzen. Das
ging so weiter über Tage, ich weigerte mich zu essen, weil ich mal wieder einen Tag einigermaßen schmerzarm erleben wollte. Von jetzt auf gleich reagierte ich stark auf sämtliche Pollen, die sich in
der Luft befanden, egal wie gering die Konzentration war. Es folgte Zigaretten- und Kaminrauch sowie Dufstoffe in Parfüm, Putz- u. Waschmittel. Ich bekam keine Luft mehr. Gefolgt von
Röststoffbildung....sobald jemand im Haus Pfanne oder Backofen zum braten benutzte, auch mal was anbrennen ließ, bekam ich keine Luft mehr. Ein richtiges Familienleben war so nicht mehr
möglich.
> Ende des Monats, nach dem Verzehr von Kartoffeln, schwoll mir erstmals der Hals, Mund, Rachenraum zu. Von da an wussten weder Ärzte noch ich weiter und man überwies mich in eine Klinik im
Sauerland. Nach 1,5, Wochen wurde ich als Pseudoallergiker entlassen. Im Gepäck hatte ich Reis, Zucchini u. Rindfleisch...alles gegarte Lebensmittel, die ich vertrug. Ausserdem bekam ich einige
Medikamente, die mich und meine überaktiven Mastzellen stabilisieren sollten. Die Diagnose Histaminintoleranz wurde bestätigt.
> Die Einnahme der Medikamente ging eine Woche gut, danach kam es wieder zu Rachen/Halsschwellungen. Wenige Tage später vertrug ich plötzlich auch nicht mehr meine 3 letzten sicheren Lebensmittel
- ein Albtraum! Mein Hals schwoll täglich mehr zu, meine Haut brannte so sehr, daß ich vor Verzweiflung erste Suizidgedanken hegte. Aufgrund der rapiden Gewichtsabnahme ( mittlerweile 13 kg ) bei
einer Körpergröße von 1,67 m und 43 kg kam ich ins nächste Krankenhaus, dorte wurde umgehend eine künstliche Ernährung veranlasst. Doch diese funktionierte nicht. Mir platzten sämtliche Venen, die
Stationsärztin wurde in ihrer eigenen Verzweiflung unverschämt, schlug mir im Beisein meiner beiden Töchter auf den Arm und schrie mich an, was ich doch für eine tolle Familie hätte und ich möge mich
jetzt mal zusammenreißen und etwas essen. Ich verweigerte das Essen, bat darum, daß sie mir endlich mal zuhören, daß ich nichts mit der Psyche hätte sondern ernsthaft krank sei. Es folgten dann
Spiegelungen des Magens u. des Darms, bei denen ausser einer Gastritis nichts auffälliges zu finden war. Somit wurde ich als "Psycho" entlassen, ohne überhaupt noch ein sicheres Nahrungsmittel zu
haben, welches ich ohne drohende Erstickungsanfälle zu mir nehmen konnte.
> Meine Familie rotierte und schrieb in ihrer Verzweiflung alle erdenklichen Kliniken in Deutschland an, baten um Rat oder meiner Aufnahme in deren Häusern. Sie meldeten sich alle zurück,
gaben Ratschläge oder teilten uns am Telefon mit, daß ich zu krank sei und sie mir nicht helfen könnten. Meine Familie wich mir von da an nicht mehr von der Seite, begleitete mich überall hin, ließ
mich auch bei den stationären Aufenthalten nicht allein. Sie brachten mich zu mehreren Heilpraktikern und Umweltärzten. Die Klinik in Marburg für unentdeckte Erkrankungen gab mir eine Zusage,
allerdings wäre der nächste frei Platz erst in 10 Monaten möglich. Es wurde weiter recherchiert, durch die Hilfe eines anderern Betroffenen aus einer Selbsthilfegruppe kam ich in die
Klinik nach Bonn. Dort wurden fast alle Untersuchungen wiederholt und zusätzlich eine Knochenmarksbiopsie durchgeführt. Es war bisher noch kein Arzt auf die Idee gekommen, vorher die Mastzellen bei
mir zu begutachten und zu schauen, um welche es sich handelt. Durch eine weitere Untersuchung stellte sich heraus, daß ich mittlerweile auch an einer Salicylunverträglichkeit leide. Das wiederrum
verschlimmerte die ohnehin bereits schwere Situation zusätzlich, da hiermit auch wichtige Medikamente sowie sämtliches Gemüse wegfallen würde.
>
> MCAS (Mastzellenaktivierungssyndrom), eine Form der Mastozytose wurde diagnostiziert und durch einen Stauungstest noch einmal bestätigt. Ein Übermaß an mutierten Mastzellen befindet sich in
meinem Magen, im Darm zumindest noch nicht. Das erklärt somit auch meine Sofortreaktionen auf die eingenommen Substanzen bzw. Lebensmittel. Ich kenne keinen Tag mehr, wo der Hals und Lippen nicht zu
schwillt, die Augen nicht dick werden, die Haut nicht brennt u juckt. Da auch äussere Einflüsse die Symptome triggern, bekomme ich zeitweise heftige Symptome, wenn ich mich ärgere, freue oder einfach
auch mal zuviel lache...ich muss immer vorsichtig agieren, alles nur in Maßen.
> Leider habe ich bis zum heutigen Tag nichts gefunden, was ich ohne Reaktionen essen kann. Ich habe schon einiges an Medikamenten ausprobiert, leider reagiere ich auf die meisten allergisch oder
sie zeigen bei mir keine Wirkung, so wie bei anderen Mastozytosepatienten. Da ich aber nicht verhungern möchte, gehe ich täglich erneut das Risiko ein, anaphylatkisch zu reagieren und esse daher Reis
mit Zucchini und/oder Broccoli sowie eine Kaki. Ich bin jedes Mal dankbar, wenn ich das für mich gut überstanden habe.
>
> Aufgrund der Unwissenheit bezüglich der Erkrankung "Mastozytose" sowie dem mangelnden Interesse seitens vieler Ärzte, sich auch in Hinblick seltender Erkrankungen weiterzubilden, durchleiden wir
Betroffene teilweise über Jahre Höllenqualen, werden als psychische Fracks abgestempelt und teilweise in die Psychiatrie gesteckt, mit Medikamenten "ruhig" gestellt. Seitens der Krankenkassen gibt es
nur kaum bis keine Unterstützung bei der notwendigen Substitution wichtiger Vitamine, Mineralien, Aminosäuren, Verdauungsenzymen sowie dringend notwendiger probiotischer Substanzen. Viele Betroffene
sind finanziell am Ende, hoch verschuldet. Meine Familie nimmt sehr viel auf sich, um mir die dringend notwendigen Behandlungen ermöglichen zu können. Für meine beiden Töchter war es bis zum
jetzigen Zeitpunkt eine schlimme traumatische Zeit und sie haben viel ertragen und sehen müssen was man sich seinen Kindern nicht zu wünschen vermag.
> Im übrigen habe ich mich trotz der Bestätigung meiner körperlichen Erkrankungen in 2 psychosomatischen Kliniken angemeldet, um meine Ängste, welche durch die Verzweiflung, durch die
Erstickungsanfälle zunehmend überhand nahmen, in den Griff zu bekommen Beide Kliniken waren der Meinung, daß ich dort nicht richtig aufgehoben sei und erst einmal gesund werden soll, um eine Therapie
durchführen lassen zu können. Ist das nicht makaber??? Endlich werde ich ernst genommen!
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> Für mich ist jeder neue Tag ein Kampf um's Überleben, doch ich gebe nicht auf, denn ich möchte LEBEN, für mich, meine wunderbaren Töchter, meiner Familie. Und ich möchte all meine Kraft nutzen
aufzuklären, damit Menschen umdenken und nicht voreingenommen reagieren. Keinem Betroffenen ist dabei geholfen, wenn neben vielen unwissenden, desinteressierten Ärzten auch noch Familie, Freunde oder
Kollegen den ernst der Lage nicht sehen wollen, die gleiche Psycho-Prognose aufstellen, sei es auch evt. aus eigener Hilflosigkeit. Glaubt dem Betroffenen, er kennt seinen Körper und hat genügend
Verstand zu fühlen, daß etwas nicht stimmt.
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>
> Elli, ein Betroffene